Die ZHAW-Hochschulbibliothek in Winterthur
OPen Access und Open Educational Resources

Offener Zugang zu Bildung und Forschung

29.11.2024
2/2024

Bis 2032 sollen in der Schweiz sämtliche öffentlich finanzierten Forschungsresultate frei verfügbar sein. Als Kompetenzzentrum für Open Science bietet die ZHAW Hochschulbibliothek tatkräftige Unterstützung für Forschende, Dozierende und Studierende.

Eine von öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung sollte allen zugänglich sein. Bei diesem Grundsatz geht es nicht nur darum, dass die Gesellschaft zurückerhält, was sie in die Wissenschaft investiert hat. Auch für die Wissenschaft sind frei verfügbare Informationen von zentraler Bedeutung. Wissenschaftliche Publikationen im Open Access erleichtern die Zirkulation des Wissens erheblich und begünstigen die Entwicklung von neuen, vielleicht bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Aus dieser Überlegung heraus hat sich auch die Schweiz dem Grundsatz Open Access (OA) verpflichtet und verfolgt seit 2017 eine nationale OA-Strategie. Diese sah ursprünglich vor, dass bis 2024 hundert Prozent der Publikationen aus öffentlich finanzierter Forschung frei zugänglich sein sollen. Dieses Ziel wurde zwar nicht erreicht, aber es lässt sich eine positive Entwicklung feststellen. Waren 2017 noch 50 Prozent der wissenschaftlichen Artikel nicht frei verfügbar, so sank der Anteil bis 2022 auf 27 Prozent.

Die revidierte Open-Access-Strategie von 2024 sieht nun vor, dass das 100-Prozent-Ziel bis 2032 erreicht werden soll. Die Herausforderungen zur Erreichung des Ziels sind indessen zahlreich. Swissuniversities zählt in einem Bericht zur OA-Strategie von 2024 zu diesen die steigenden Kosten im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens, die problematische Praxis der Publikationsgebühren, bei der den Autorinnen und Autoren direkt Kosten angelastet werden, sowie den nach wie vor tiefen Anteil sogenannter Long-Form Publications wie Monografien in Open Access. Daneben existieren gemäss Elena Šimukovič, Fachbereichsleiterin Research & Infrastructure der ZHAW Hochschulbibliothek, verschiedene Spannungsfelder, die die Durchsetzung des OA-Grundsatzes erschweren. So ist unklar, ob die Forschungspublikationen in meist spezialisierten englischsprachigen Fachzeitschriften tatsächlich einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen. Auch stellt Open Access Forschende oftmals vor ein vermeintliches Dilemma, sich zwischen renommierten, aber abonnementbasierten Zeitschriften und offenem Zugang entscheiden zu müssen. 

«Der grüne Weg ist eine kosteneffiziente Alternative, um hohe Publikationsgebühren zu umgehen.»

Elena Šimukovič, Fachbereichsleiterin Research & Infrastructure der ZHAW Hochschulbibliothek

Den Hochschulen kommt in der Umsetzung der OA-Strategie der Schweiz eine zentrale Rolle zu. Als Forschungs- und Lehrstätten können sie massgeblich dazu beitragen, dass sich eine Kultur der offen zugänglichen Forschung zunehmend etabliert. Und sie können Forschende, die sich entschlossen haben, im OA zu publizieren, unterstützen und beraten. Die ZHAW engagiert sich seit 2017 aktiv für die Umsetzung der OA-Strategie der Schweiz. Auf ihrem institutionellen OA-Repositorium, der ZHAW digitalcollection, werden jährlich 2500 neue Publikationen verzeichnet. Unter den mehr als 20 Publikationstypen befinden sich neben Zeitschriftenartikeln, Buchkapiteln und Konferenzbeiträgen auch Forschungsberichte, Studien und ausgewählte Abschlussarbeiten.

Viele Wege führen zum Ziel

Es gibt verschiedene Varianten, offen zu publizieren. Beim sogenannten «goldenen Weg» werden die Forschungsbeiträge direkt in einer OA-Zeitschrift publiziert. Die Kosten für die Veröffentlichung werden meist durch die Forschenden getragen respektive durch ihre Institution. Beim «grünen Weg» handelt es sich um eine Zweitveröffentlichung eines Forschungsbeitrags, der zuerst in einem abonnementbasierten und folglich zugangsbeschränkten Medium publiziert wurde. Die Zweitpublikation erfolgt auf einem digitalen Open-Access-Repositorium, wie der ZHAW digitalcollection. Dabei handelt es sich um Plattformen, die von Institutionen oder nach Fachbereichen betrieben werden. Ferner gibt es den «diamantenen Weg», bei dem weder die Forschenden noch die Lesenden bezahlen, sondern Förderorganisationen oder wissenschaftliche Einrichtungen die Finanzierung übernehmen. Die ZHAW unterstützt ihre Forschenden bei allen Varianten. So können sie sich bei der Hochschulbibliothek Rat bezüglich des Publikationsvertrags einholen. «Unser Beratungsangebot wird gerne in Anspruch genommen, da die meisten Forschenden sich mit den Details in solchen Verträgen nicht auskennen und über ihre Rechte Bescheid wissen wollen», erklärt Šimukovič.

Ferner schliesst die ZHAW sogenannte Read-&-Publish-Vereinbarungen mit grossen kommerziellen Verlagen ab. Dank diesen müssen die Autorinnen und Autoren keine Publikationsgebühren zahlen, wenn sie einen Beitrag in einer Zeitschrift direkt in OA veröffentlichen wollen. Auch hat die ZHAW einen OA-Fonds eingerichtet, der für die Publikation von Zeitschriftenartikeln bis zu 2500 Franken und von Büchern bis zu 8000 Franken bereitstellt. «Der Open-Access-Fonds wird jedes Jahr erhöht und intensiv genutzt, gegenwärtig am meisten von den Departementen Gesundheit sowie Life Sciences und Facility Management mit je 30 Prozent», so Elena Šimukovič.

Einen besonderen Fokus legt die ZHAW auf den grünen Weg, bei welchem ein bereits veröffentlichter Forschungsbeitrag auf einem Repositorium als Zweitpublikation frei verfügbar gemacht wird. «Aktuell werden 58 Prozent der Forschungsbeiträge der ZHAW in Open Access publiziert. In 13 Prozent der Fälle wird die Option der Zweitveröffentlichung jedoch nicht genutzt, obschon die Verlage es erlauben würden», sagt Šimukovič. Diesem unausgeschöpften Potenzial soll in den nächsten Jahren verstärkt Beachtung geschenkt werden. Ziel sei es, die Forschenden davon zu überzeugen, dass eine Zweitveröffentlichung nicht nur kosteneffizient ist, sondern auch einen Mehrwert für sie selbst, für die ZHAW und für die Interessierten aus der Praxis und Gesellschaft darstelle.

«Das Angebot an Lehrmaterialien von Hochschulen auf dem OER-Repositorium füllt eine Marktlücke»

Nicole Krüger, Teamleiterin Open Educational Resources, ZHAW Hochschulbibliothek

Plattform für Lehrmaterialien

Neben ihrem Engagement im Feld der OA-Publikationen setzt sich die Hochschulbibliothek der ZHAW auch für eine offene Bildung ein. Im Juli 2024 hat sie in Zusammenarbeit mit dem Infrastrukturanbieter Switch das schweizweit erste Repositorium für offene Lehr- und Lernmaterialien (Open Educational Resources: OER) lanciert. In der aktuellen Pilotphase sind daran neben der ZHAW auch die Fachhochschule Nordwestschweiz sowie drei pädagogische Hochschulen beteiligt. «Unser Ziel ist es, möglichst alle Schweizer Hochschulen zu gewinnen, damit sich das Repositorium zu einer nationalen Plattform etabliert», erklärt Nicole Krüger, Teamleiterin Open Educational Resources der ZHAW Hochschulbibliothek. Aktuell befinden sich 600 Lehrmaterialien auf der Plattform, vor allem aus den Bereichen Gesundheit und Life Sciences. «Die Plattform richtet sich an alle: Studierende, Studienanwärterinnen, Lehrpersonen oder Private, die sich gezielt weiterbilden möchten», so Krüger. Der inklusive Charakter des ersten Schweizer OER-Repositoriums ist Programm. So soll die Plattform den Dialog innerhalb und zwischen den verschiedenen Fächern intensivieren und zu einer neuen, offenen Lehrkultur beitragen. Damit die Inhalte des Repositoriums gut auffindbar sind, werden die Materialien maschinenlesbar ausgezeichnet, sodass sie von Suchmaschinen gut erfasst werden.

Die ersten Rückmeldungen zur Plattform sind ausnehmend positiv. «Das ist nicht weiter verwunderlich», so Nicole Krüger, «denn das OER-Repositorium füllt mit der Möglichkeit, gezielt und formatoffen nach Lehrmaterialien von Hochschulen zu suchen, eine Marktlücke, die selbst Tech-Unternehmen wie Google oder Youtube nicht zu bewirtschaften wussten.»

Besuchen Sie die ZHAW digitalcollection – das institutionelle Repositorium der ZHAW

Lernmaterialien für das klinische Assessment 

Die ZHAW-Institute Pflege und Hebammenwissenschaft & reproduktive Gesundheit haben in einem zweijährigen interprofessionellen Projekt neue digitale Lernmaterialien für das klinische Assessment entwickelt. Im Fokus lagen dabei die Förderung des Theorie-Praxis-Transfers sowie die Entwicklung nachhaltiger Kompetenzen auf Niveau Bachelor Pflege bzw. Hebamme. Die neuen Lehrmaterialien sind auf dem von der ZHAW im Juli 2024 lancierten Schweizer OER-Repositorium frei verfügbar. Sie umfassen unterschiedliche Medien wie Instruktionsvideos, Arbeitshefte, Vor- und Nachbereitungsaufträge sowie ergänzende Dokumente wie Checklisten, Dokumentationsbögen, Assessment-Instrumente und Lerntagebücher.

Die Materialien sollen die Studierenden bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten im klinischen Assessment unterstützen. So können Studierende in Videos beispielsweise auch im Praktikum detailliert nachvollziehen, wie eine bestimmte Untersuchung vorzunehmen ist und worauf sie im Besonderen zu achten haben. Die Lernmaterialien sind nicht nur für die Ausbildung neuer Fachpersonen vorgesehen, sondern sollen auch von Praxispartnern in der direkten Versorgung von Patientinnen und Patienten genutzt werden. Ziel ist dabei, dass die erworbenen Kompetenzen auch nach Abschluss des Studiums erhalten und aktualisiert werden.

Offene Architektur-Wissensdatenbank 

Seit Jahrzehnten werden am Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen Modelle gebaut. In der Halle 180 der ehemaligen Sulzer-Werke in Winterthur können viele dieser Modelle in einer Dauerausstellung bewundert werden. Sie sind mit einem QR-Code versehen, der zu einer Datenbank führt, in der Fotos und zusätzliche Informationen zu finden sind. Diese Datenbank ist seit Kurzem öffentlich zugänglich und kann sowohl im Unterricht als auch in der beruflichen Entwurfspraxis genutzt werden. 

(Bild: Stefan Kubli)

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