Private Vorsorge: Mit einem Kniff zu mehr Geld im Alter

22.03.2022
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Nur eine von fünf Personen schöpft die Steuervorteile wirklich aus, die der Staat bei der persönlichen finanziellen Altersvorsorge als Anreiz gesetzt hat. Die Quote liesse sich mit einigen Retuschen in der dritten Säule steigern.

Die Politik müht sich seit Jahren mit Reformversuchen ab, wenn es um die Altersvorsorge geht. Das betrifft vor allem die AHV und die Pensionskassen – die erste und die zweite Säule also. Fast vergessen geht dabei die individuelle Altersvorsorge in der dritten Säule. Sie dient als Ergänzung.

Das Sparen in der dritten Säule ist aktueller denn je. Denn als Folge der höheren Lebenserwartung müssen die angesparten Pensionskassengelder einer Person auf mehr Jahre verteilt werden. Bei vielen Pensionskassen sinken dadurch die monatlichen Rentenzahlungen, die Angestellte nach ihrer Pensionierung künftig erwarten können. Die derzeit tiefen Zinsen verstärken diesen Trend noch.

Sparfüchse wissen, wie sie in der dritten Säule am meisten herausholen. Sie zahlen Jahr für Jahr den zulässigen Maximalbetrag bei der dritten Säule ein. Derzeit sind es für Angestellte 6883 Franken. Dieses Geld bleibt in der Regel bis zur Pensionierung gebunden. Im Gegenzug für die Einzahlung in die sogenannte Säule 3a gibt es einen Abzug bei den Steuern. Mit dieser Belohnung will der Staat bei Erwerbstätigen die private Altersvorsorge fördern. Das Konzept, das seit 1987 gilt, leuchtet ein. Allerdings hat die Sache einen Haken: Diese Förderung wird wenig genutzt.

Eine Million Menschen verdient zu wenig für private Vorsorge

«Über die Hälfte der rund 3,4 Millionen erwerbstätigen Steuerpflichtigen zahlt nicht in die Säule 3a ein», sagt Roland Hofmann vom Institut für Wealth und Asset Management. Ein erheblicher Teil von ihnen ist beim besten Willen nicht dazu in der Lage. Roland Hofmann geht von bis zu einer Million Menschen in der Schweiz aus, die zu wenig verdienen, um in die Säule 3a einzuzahlen.

Hinzu kommen all jene, die nicht einzahlen, obwohl sie es durchaus könnten. Sie konsumieren lieber heute, als sich mit der privaten Altersvorsorge abzumühen – im Wissen, dass der Staat niemanden verhungern lässt, wenn die Mittel nach der Pensionierung zu knapp sind. Bei anderen spiegeln die Konsumpräferenzen die Familiensituation. Während die Kinder heranwachsen, sind die Ausgaben einer jungen Familie eher hoch. Ist der Nachwuchs aus dem Haus, ziehen die Eltern in eine kleinere Wohnung und leben genügsamer.

«Vor allem der gehobene Mittelstand profitiert, bei allen anderen wirkt der Anreiz mit dem Steuerrabatt schlecht oder gar nicht.»

Roland Hofmann, Institut für Wealth und Asset Management

Wer einzahlt, zahlt häufig nicht jedes Jahr und nicht immer den vollen Betrag ein. Bleibt in einem Jahr mal etwas Geld übrig, wandert es in die Säule 3a. In anderen Jahren hats dann halt nicht gereicht. Den maximalen Betrag schöpft nur etwa ein Fünftel der erwerbstätigen Steuerpflichtigen aus – also rund 600’000 Steuerpflichtige. Für Hofmann ist klar: «Es nutzen nur wenige Leute die Säule 3a im vollen Ausmass.» Vor allem der gehobene Mittelstand profitiere, «bei allen anderen wirkt der Anreiz mit dem Steuerrabatt schlecht oder gar nicht.»

Modellanpassung für mehr Sparer und höhere Rendite

Gibt es denn andere Lösungen? Lässt sich das Konzept verbessern? «Ja, durchaus», entgegnet Hofmann. Sein Vorschlag basiert auf dem bisherigen Modell, ändert aber drei Punkte. Der erste betrifft die Gruppe der Trägen: Das sind jene Leute, die eigentlich in der Säule 3a sparen könnten, es aber stets hinausschieben, sich nie darum kümmern, es lieber morgen erledigen als heute. «Ihnen muss man die Sache erleichtern», sagt er. Das heisst, den Vorgang mit Sparplänen möglichst einfach machen, damit alles automatisch abläuft.

Nudging für die Trägen

Konkret schlägt Hofmann folgende Lösung vor: «Wenn der Lohn ausgezahlt wird, geht jeden Monat automatisch ein Teil in die Säule 3a – als Daumenregel zum Beispiel ein Anteil von 10 Prozent.» Dieser Dauerauftrag könne beim Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Auszahlung eingerichtet werden oder bei der Bank, wenn das Salär eingeht. So müssen sich Erwerbstätige nicht mehr aktiv um die Säule 3a kümmern, das Geld fliesst automatisch auf das 3a-Konto und sichert so den Steuerabzug. Das Ganze soll keineswegs als Zwang funktionieren. Wer nicht mitmachen will, kann den Mechanismus ganz einfach stoppen. Eine Mail oder ein Telefonanruf genügt.

Eine solche Umkehr der Grundeinstellung ist wirkungsmächtig, wie die Verhaltensökonomie nachweist. «Ob man ablehnen oder zustimmen muss, ist entscheidend dafür, ob die Leute mitmachen», sagt Hofmann. Die Forschung weist erstaunliche praktische Erfolge durch solches «Nudging» nach, durch das richtige «Anstupsen» im Entscheidungsprozess. Was als Standard vorgeschlagen ist, machen laut Hofmann die meisten.

Genutzt wird dieser Umstand schon längst. Ein Beispiel dafür ist das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich. Bis 2006 erhielt die Kundschaft automatisch den günstigsten Strommix und musste sich melden, wenn sie ein ökologischeres Produkt wollte – was nur eine Minderheit tat. Fortan war «Naturpower» das Standardprodukt, und wer eine günstigere, weniger ökologische Variante wollte, musste sich melden. Das Resultat: 85 Prozent blieben bei «Naturpower». Eine ähnliche Wirkung erwartet Hofmann in der Säule 3a: «Ein wesentlicher Teil der Leute wird den automatischen Abzug vergessen und die Ausgaben nach dem Betrag ausrichten, der ihnen auf dem Bankkonto bleibt.»

Subvention der Altersvorsorge für die Ärmeren

Die zweite Änderung betrifft jene Gruppe, die gar nicht einzahlen kann. Bei ihnen soll die öffentliche Hand einspringen. Wenn eine Person finanziell so knapp dran ist, dass sie keine Einkommens- und Vermögenssteuern zahlt, überweist der Staat an ihrer Stelle im betreffenden Jahr automatisch ihren Betrag an die Säule 3a.

Dieses Vorgehen wird international unter dem Stichwort Steuerkredit diskutiert und kommt einer Subvention gleich. Das sei kompatibel mit einem liberalen Staatsverständnis, hält Hofmann fest. Der Staat springe bei Bedürftigkeit im Alter mit Ergänzungsleistungen oder nötigenfalls Sozialhilfe ein, werde somit in solchen Fällen ohnehin zur Kasse gebeten.

«Wer daran glaubt, dass die Menschheit Fortschritte macht, hat keinen Grund dazu, auf Aktienanlagen zu verzichten.»

Roland Hofmann

Doch die in einer früheren Phase ausgesprochenen Steuerkredite hätten einen entscheidenden Vorteil: «In der Säule 3a kann man über den Kapitalmarkt das Wirtschaftswachstum während vieler Jahre nutzen. Dank dem Zinseszinseffekt steht am Schluss viel mehr Kapital zur Verfügung, als ursprünglich aufs Konto ging – auch jeder Franken öffentliche Mittel erzielt so eine höhere Wirkung.» Ein solches Kapitaldeckungsverfahren sei günstiger als das Umlageverfahren, wie es beispielsweise die AHV nutzt: «Beim Umlageverfahren nutzt der Staat das Wirtschaftswachstum nicht, er nimmt ja das Geld von den einen und gibt es den anderen.»

Langfristige Wertschriftenanlagen

Damit ist die dritte Änderung angesprochen: Die 3a-Gelder bleiben nicht einfach fast ohne Rendite auf einem Konto liegen. Stattdessen erfolgt standardmässig eine Anlage in Wertschriften. Der Anlagebetrag folgt so der ökonomischen Entwicklung. So partizipieren die Sparerin und der Sparer am Wertschöpfungswachstum in der Welt und müssen sich nicht mit tiefen Zinsen abfinden. Die jeweiligen Aktienfonds sollen ähnlich kostengünstig sein wie der staatliche Vorsorgefonds in Schweden mit Gebühren von jährlich 0,15 Prozent der angelegten Summe.

Bei 30-Jährigen dürften es durchaus 100 Prozent Aktien sein. Wenn das Pensionsalter näherrücke, werde der Wertschriftenanteil natürlich zurückgefahren. Hofmann räumt ein, dass die Anlage in Wertschriften Wertschwankungen unterworfen ist. Doch angesichts des langen Anlagehorizonts spiele das eine geringe Rolle. Wer diese Standardlösung nicht will, könne natürlich auch in diesem Punkt seinen Widerspruch einlegen: «Doch wer daran glaubt, dass die Menschheit Fortschritte macht, kreativ ist und Ideen verwirklicht, hat eigentlich keinen Grund dazu, auf Aktienanlagen zu verzichten.»

Kryptoanlagen für Pensionskassen

In der Finanzwelt etablieren sich die Kryptowährungen als zusätzliche Anlagemöglichkeit – zumindest als Beimischung in tiefer Dosierung. Das zeigt auch ein Entscheid der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht: Sie genehmigte im Herbst 2021 den ersten Schweizer Kryptofonds. Er bildet die Entwicklung von zehn Kryptowährungen ab, ist aber nur qualifizierten Anlegern zugänglich. Dazu gehören etwa Banken, Vermögensverwalter oder Versicherungen – und theoretisch auch Vorsorgeeinrichtungen.

Doch: Dürfen Pensionskassen überhaupt in Kryptowährungen investieren? Und sollen sie es auch? Diese Fragen untersucht ein Projekt unter Leitung von Markus Moor vom Institut für Risk & Insurance. Es eruiert, welche Art von Anlagen im Kryptobereich anlagetechnisch sinnvoll und welche rechtlich zulässig sind. Überdies will das Projekt die Meinung der direkt Betroffenen erheben, zum einen bei Pensionskassenverantwortlichen, zum anderen mit einer repräsentativen Umfrage bei den Versicherten.

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