Überstürzt ins Pflegeheim – und dann?

22.03.2022
1/2022

Der Einzug in ein Pflegeheim versetzt ältere Menschen in eine emotionale Ausnahmesituation.  Er bedeutet nicht nur Abschied vom bisherigen Zuhause, sondern auch von gewohnten Abläufen und Ritualen. Betreuende Angehörige spielen auch dann eine wichtige Rolle für einen guten Start.

Ein solcher Schritt geschehe meist überstürzt, erklärt ZHAW-Gerontopsychologin Barbara Baumeister. Der Grund für einen Umzug in ein Pflegeheim sei häufig ein akutes Ereignis wie etwa ein Sturz, und meist schliesse der Eintritt direkt an den Spitalaufenthalt an. «Das Vertrauen von betroffenen Personen und ihren Angehörigen in eine Pflegeinstitution wird oft als gegeben angenommen», stellt die Wissenschaftlerin fest. «Es muss aber erst aufgebaut werden.»

Aktiv informieren

Zu oft würden Familienmitglieder in einer kommunikativen Holschuld belassen, zu selten kämen Mitarbeitende aktiv mit Informationen auf sie zu. «Erfahre ich als Sohn oder Tochter jedoch nur davon, dass meine Mutter sich am Vormittag bei einem Sturz eine Wunde am Kopf zugezogen hat, weil ich später zufällig zu Besuch bin, lassen sich Zweifel schwer zerstreuen», sagt die Psychologin.

«Ein guter Start entscheidet massgeblich mit, wie der Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung später verläuft», betont Baumeister. Das gelte auch dann noch, wenn es künftig immer häufiger intermediäre Lösungen geben dürfte, bei denen ältere Menschen solche Angebote in Einrichtungen vor allem tageweise in Anspruch nehmen. Angehörige wie auch Pflegebedürftige sollten früh und eng in verschiedene Prozesse einbezogen werden. «Eine wertschätzende und funktionale Kommunikation ist hierbei ebenso wichtig wie ein guter Umgang mit Konflikten.»

«Ein guter Start entscheidet massgeblich mit, wie der Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung später verläuft.»

Barbara Baumeister, Gerontopsychologin an der ZHAW

Gezielte Schulungen des Personals könnten Lücken in dieser Hinsicht schliessen. Das Erstgespräch sollte nicht nur dazu dienen, finanzielle Aspekte zu besprechen und biografische Daten zu erfragen, sondern auch dazu, gegenseitige Bedürfnisse und Erwartungen zu klären. Der Eintritt in eine Pflegeeinrichtung verlangt den Betroffenen viel Anpassung, er bedeutet nicht nur Abschied vom bisherigen Zuhause, sondern auch von gewohnten Abläufen und Ritualen.

Ansprechpersonen festlegen

Zudem sollte gleich im ersten Gespräch festgelegt werden, wer in der Institution die primäre Ansprechperson ist für Ehepartner, Kinder oder Geschwister der pflegebedürftigen Person und wann ein nächstes Treffen stattfinden soll, sagt Baumeister: «Das schafft Vertrauen.» Schliesslich profitierten auch die Pflegeeinrichtungen selbst von einer guten Zusammenarbeit mit den Angehörigen: Sie bringt auch ihnen willkommene Entlastung.

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