Von digitalen Stupsern, illegalen Substanzen und Young Adult Carers

11.04.2024
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Wie lassen sich Millennials zum Sparen bewegen? Wie beeinflusst die Peergroup den Konsum von Drogen? Welche Unterstützung brauchen Kinder, die Eltern nach einem Schlaganfall betreuen? Drei Bachelorarbeiten geben Antworten.

Unterstützung für junge Erwachsene, die ihre Eltern pflegen

Sie werden häufig nicht gesehen: junge Menschen, die sich um einen erkrankten Elternteil kümmern. Statt eigenen Interessen nachzugehen, übernehmen sie Aufgaben im Haushalt. Sie fahren Betroffene zu Terminen und erledigen Administratives. «Young Adult Carers haben die Tendenz, ihre Belastung herunterzuspielen», sagt Karoline Fink, die am ZHAW-Departement für Gesundheit studiert hat. «Sie fühlen sich ihren Eltern verbunden, helfen gerne und sind immer stärker eingespannt.» Zusammen mit Nadine Kaninke hat sie für ihre Abschlussarbeit mit drei Nachkommen von Personen gesprochen, die einen Schlaganfall erlitten haben. «Diese häufige Erkrankung ändert das ganze Familienleben», sagen sie. Von einem Tag auf den anderen schlüpfen Young Adult Carers in eine neue Rolle. Sie tragen viel Verantwortung und fühlen sich zuweilen überfordert. «Ich kam mir extrem alleingelassen vor», sagt ein junger Mann, den die beiden Ergotherapeutinnen befragt haben. Nach seinem Befinden habe sich kaum jemand erkundigt. Wie die Abschlussarbeit zeigt, haben Young Adult Carers das Bedürfnis, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Ein geleitetes Gruppenangebot könnte dafür Raum schaffen. Es könnte betreuende Angehörige im Umgang mit ihren Eltern stärken und Fachwissen vermitteln. «Der Bedarf für ein solches Angebot ist da», sagen die beiden Autorinnen. Das Thema verdiene insgesamt mehr Beachtung. Young Adult Carers seien nicht auf den ersten Blick zu erkennen. «Sie sind aber da ‒ und froh um Unterstützung.»

Karoline Fink (23) und Nadine Kaninke (26) zeigen in ihrer Bachelorarbeit auf, wie Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten Young Adult Carers unterstützen können. Sie haben dabei auf junge Frauen und Männer fokussiert, die sich um einen Elternteil nach einem Schlaganfall kümmern. «Für diese Gruppe bestehen kaum Angebote», sagen sie. Karoline Fink arbeitet in der Privat-Klink Im Park in Schinznach-Bad und hat ein Masterstudium geplant. Nadine Kaninke ist zurzeit auf Stellensuche. Ihr Praxispartner verfolgt die Idee eines Gruppenangebots weiter.

Digitales Anstupsen soll Millennials zum Sparen anregen

«Du kannst jetzt noch einzahlen und Steuern sparen», «Aktuell haben 65 Prozent der Kundinnen und Kunden mehr gespart als du» oder «Glückwunsch! Die ersten 10`000 sind erreicht»: Solche digitalen Nachrichten könnten Millennials motivieren, freiwillig fürs Alter zu sparen. Aktuell tut dies lediglich jede zweite Person im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. «Sie brauchen einen Anreiz», sagt Hava Berisha, die an der ZHAW School of Management and Law studiert hat.  Sie hat als Kundenberaterin erlebt, dass sich junge Menschen kaum mit der dritten Säule auseinandersetzen. «Das Thema ist komplex und schreckt viele ab.» Wie die Bachelorabsolventin in ihrer Abschlussarbeit darlegt, tendieren Menschen zur Gegenwartspräferenz. Das heisst, sie stellen gegenwärtige Bedürfnisse über künftige. Sie halten zudem gerne an einmal gefassten Entscheidungen fest und verharren im Status quo. Die Folge: «Die Bereitschaft, für die private Vorsorge zu sparen, ist gering.» Gemäss Berisha könnte Digital Nudging helfen, das Interesse junger Frauen und Männer zu wecken und sie «auf freiwilliger Basis in die richtige Richtung zu stupsen». Digitale Hinweise könnten Millennials etwa als Standardeinstellung auf TWINT dazu ermutigen, in die dritte Säule einzuzahlen. Sie könnten ihnen häppchenweise Wissen vermitteln, das Verhalten anderer Kundinnen und Kunden aufzeigen, sie regelmässig ans Sparen erinnern und mit positivem Feedback zum Dranbleiben motivieren. «Erinnerungen werden als besonders hilfreich eingestuft», sagt Hava Berisha aufgrund einer Online-Umfrage. Digital Nudging habe grosses Potenzial, betont sie. «Es kann zu vorteilhafteren Entscheiden führen.»

Hava Berisha (29) hat sich in ihrer Bachelorarbeit in Betriebsökonomie mit der privaten Altersvorsorge beschäftigt. Sie hat untersucht, wie junge Menschen mit Digital Nudging dazu animiert werden könnten, in die dritte Säule einzuzahlen. «Dienstleister sollten das Thema spannender gestalten», sagt sie. Hava Berisha hat für ihre Arbeit die Note 6 und den Swiss-Life-Studienpreis erhalten. Sie ist als Product Manager bei der Raiffeisen Bank tätig und kann sich vorstellen, dereinst ein Masterstudium zu absolvieren.  

Die Peergroup für Drogenprävention einsetzen

Wenn Kinder zu Erwachsenen werden, haben sie wichtige Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Sie müssen sich vom Elternhaus abnabeln, eine eigene Identität entwickeln und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, hilft ihnen dabei. In der Peergroup können Jugendliche soziale Verhaltensweisen ausprobieren sowie eigene Normen und Werte verinnerlichen. «Die Peergroup ist in der Adoleszenz eine wichtige Sozialisationsinstanz», sagt Alexandra Winet, die an der ZHAW Soziale Arbeit studiert hat. Wie sie in ihrer Abschlussarbeit aufzeigt, gilt dies auch für den Umgang mit illegalen Substanzen. Unter Peers fällt es Jugendlichen leichter, über das Thema zu sprechen, das von Erwachsenen häufig stigmatisiert wird. Sie können ihr Verhalten reflektieren und allenfalls anpassen. «Die Peergroup ist Schutz- und Risikofaktor zugleich», so die Autorin. Die Peergroup kann vor einem problematischen Substanzkonsum schützen oder einen solchen reduzieren. Sie kann aber ebenso zum Konsum verleiten und diesen verstärken. Dies etwa, wenn illegale Substanzen dazu dienen, sich von anderen abzugrenzen und Zusammengehörigkeit zu leben. Stars, welche in den sozialen Medien Drogen verharmlosen, können dazu animieren. «Da verpassen es leider einige Künstler und Künstlerinnen, ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen», sagt Alexandra Winet. Sie findet, dass die positiven Funktionen einer Peergroup in der Prävention stärker genutzt werden sollten. So könnten geschulte Jugendliche ihre Peers etwa über Risiken und schadensmindernde Massnahmen aufklären. Sie könnten mit ihnen problematische Situationen besprechen und alternative Bewältigungsstrategien aufzeigen. «Man sollte Konsumentinnen und Konsumenten nicht stigmatisieren, sondern in ihre Lebenswelt eintauchen», sagt Winet.

Alexandra Winet (25) hat in ihrer Bachelorarbeit untersucht, welche Bedeutung die Peergroup in der Prävention von problematischem Konsum illegaler Substanzen hat. Sie hat sich mit Entwicklungstheorien und Präventionsansätzen befasst und bestehende Angebote in der Stadt Zürich analysiert. Ihr Fazit: «Jugendliche werden bislang kaum einbezogen.» Die ZHAW-Absolventin hat für ihre Analyse die Höchstnote erhalten. Sie ist als Sozialarbeiterin und -pädagogin in der Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli in Pfäffikon tätig.

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