Von Klimaangst, Chatbots als Ersthelfern und dem Vertrauen in die KESB
Was hilft Jugendlichen gegen die Angst vor dem Klimawandel? Wie kann ein Chatbot Patientinnen im Notfall unterstützen? Wie vertrauenswürdig wirkt die KESB? Drei Abschlussarbeiten geben Antworten.
Aktivismus hilft gegen Klimaangst
Die Klimakrise löst Ängste aus. Gerade Jugendlichen machen unsichere Zukunftsaussichten zu schaffen. «Sie sind aufgrund ihres Entwicklungsstands besonders gefährdet, psychisch zu erkranken, und müssen unterstützt werden», sagt Moira Trüb. Sie hat fünf Fachleute befragt und Handlungsempfehlungen gegen Klimaangst erarbeitet, die sowohl auf sozialer als auch individueller Ebene ansetzen. Die Bachelorabsolventin rät Betroffenen, sich mit Gleichgesinnten zu engagieren. «Aktivismus hilft: Sich als Gruppe mit dem Thema zu beschäftigen, verringert das Gefühl des Alleinseins und gibt Kraft, gemeinsam ins Handeln zu kommen.» Gespräche hätten sowieso eine positive Wirkung. Wer sich im Alltag klimafreundlich verhalte, erlebe Selbstwirksamkeit. Gleichzeitig ist es gemäss Trüb wichtig, Grenzen zu setzen und sich auch mit anderen Themen zu beschäftigen. In der Schule, in Vereinen und an Hochschulen sollte jungen Menschen vermehrt vermittelt werden, wie man Resilienz entwickelt. Zu einem besseren psychischen Befinden können zudem Akzeptanz, Hoffnung und therapeutische Hilfe beitragen.
«Wir steuern auf eine psychologische Krise zu», sagt die Autorin. Klimaangst werde zu wenig erkannt. Es fehle an Daten und die Politik mache zu wenig, um den psychischen Folgen der Klimakrise entgegenzuwirken. «Die Angst der Betroffenen ist real und lässt sich klar von anderen Angsterkrankungen abgrenzen», sagt Moira Trüb. Sie fände es sinnvoll, Klimaangst in nationale Strategien – etwa Gesundheit2030 – aufzunehmen. «Das hätte den Vorteil, dass Daten erhoben werden müssten und spezifische Massnahmen ausgearbeitet würden.» Die Schule könnten beispielsweise zur Resilienzförderung verpflichtet werden.
Moira Trüb (24) hat sich in ihrer Bachelorarbeit der Klimaangst von Jugendlichen gewidmet. Sie nimmt selbst regelmässig an Klimademonstrationen teil und sagt: «Aktiv zu sein, ist eine gute Selbsthilfe.» Ihre Arbeit im Studiengang «Health Promotion and Prevention» ist mit der Note 6 bewertet worden. Moira Trüb ist als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Public Health tätig. Sie hat vor, ein Masterstudium in Angriff zu nehmen und sich weiter mit dem Thema «Planetare Gesundheit» zu befassen.
Ein digitaler Assistent in der Notaufnahme
Wer notfallmässig in ein Spital geht und warten muss, ist meist angespannt. Das Warten scheint sich endlos hinzuziehen ‒ man fürchtet, vergessen zu werden. Diese Situation kann mental belasten. «Ein virtueller Assistent könnte Menschen in der Notaufnahme individuell betreuen», sagt Nina Jäggi. «Er könnte ihnen das Gefühl vermitteln, ernst genommen und unterstützt zu werden.» Die Bachelorabsolventin hat einen Chatbot-Prototyp entwickelt, der die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden berücksichtigt. Er stellt gezielte Fragen zu den gesundheitlichen Beschwerden des Nutzenden, gibt die Angaben dem Personal weiter, durchsucht seine Wissensdatenbank und ermöglicht so eine Erstanamnese. Das Tool geht insbesondere auf das psychische Befinden der Wartenden ein und führt auf Wunsch aus, was gegen die beschriebenen Symptome getan werden könnte. «Man empfindet die Wartezeit als kürzer, wenn eine Beschäftigung vorhanden ist», betont Nina Jäggi, die am Institut für Angewandte Medienwissenschaften (IAM) studiert hat. Ein Chatbot könne zudem den Aufnahmeprozess vereinfachen. Die Patientinnen und Patienten müssten nicht immer wieder die gleichen Angaben machen. Dies würde die Spitäler entlasten, die zunehmende Eintrittszahlen verzeichnen und mit personellen Engpässen zu kämpfen haben. «AI könnte mehr Effizienz ermöglichen.» Ihre Entwicklung befinde sich noch in einem frühen Stadium, sagt die Autorin. Die Benutzeroberfläche, die linguistische Syntax und das hinterlegte Fachwissen sollten weiter optimiert werden. Daneben gelte es ethische und rechtliche Fragen zu klären.
Nina Jäggi (26) ist in ihrer Bachelorarbeit der Frage nachgegangen, wie ein Chatbot das mentale Wohlbefinden und die Prozesseffizienz in Notaufnahmen verbessern kann. Sie ist dabei nach der Methode des Design-Thinking-Prozesses vorgegangen, hat Expertinnen und Experten befragt und eine Online-Umfrage zu ihrem Prototyp durchgeführt. «Die Mehrheit der Befragten würde den Chatbot ausprobieren wollen», sagt sie. Sowieso habe Artificial Intelligence im Gesundheitsmanagement grosses Potenzial. Nina Jäggi ist zurzeit auf Stellensuche.
Wie es um das Vertrauen in die KESB steht
Die KESB (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) kann in diesem Jahr ein Jubiläum feiern. Vor zehn Jahren ist das Vormundschaftsrecht reformiert und die Behörde neu aufgestellt worden. 2015 stand sie vor einer Bewährungsprobe. Am Neujahrstag tötete eine Mutter ihre beiden Kinder. Diese sollten nach den Feiertagen ins Heim zurückkehren. Der Fall Flaach löste schweizweit Schlagzeilen aus, die KESB-Mitarbeitenden wurden massiv kritisiert. «Der KESB wird vorgeworfen, dass sie entweder zu früh oder zu spät eingreift», sagt Carlo Strohner, der am Departement Soziale Arbeit studiert hat. Das sei der häufigste Kritikpunkt. Einzelne Fälle dominierten die öffentliche Wahrnehmung, die Behörde könne sich nur beschränkt zu diesen äussern.
Trotz des negativen Images wird der KESB in der Online-Befragung des ZHAW-Absolventen nicht wesentlich weniger Vertrauen entgegengebracht als anderen Institutionen. Auf einer zehnstufigen Skala erreicht sie einen Durchschnittswert von 6,2. Die Polizei liegt bei 7,3, das Rechtssystem bei 7,2 und das politische System bei 6,7.
«Die KESB schneidet in der nichtrepräsentativen Stichprobe nicht deutlich schlechter ab», so Strohner. Wer als Betroffene, Betroffener oder Fachperson bereits mit der Behörde zu tun hatte und wer gut ausgebildet ist, vertraut ihr stärker als andere Menschen. Auch wer sie als kompetent einstuft und davon ausgeht, dass sich Klientinnen und Klienten einbringen können und Widerspruchsmöglichkeiten haben, äussert ein grösseres Vertrauen. Carlo Strohner stellt fest, dass zumindest in Teilen der Bevölkerung ein falsches Bild der KESB vorhanden sein könnte. «Das Vertrauen liesse sich verbessern, indem mehr über ihre Funktionsweise informiert würde.»
Carlo Strohner (35) hat in seiner Masterarbeit in Sozialer Arbeit untersucht, wie viel Vertrauen die KESB (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) in der Schweizer Bevölkerung geniesst. Als Berater und Beistand hatte er erlebt, dass viele Menschen der Behörde misstrauen. «Es brauchte eine Menge Zeit, bis eine einigermassen stabile Arbeitsbeziehung entstehen konnte.» Strohner arbeitet als Fachverantwortlicher Kindesschutz für den Kanton Schaffhausen sowie als Springer in der Krisenwohngruppe der Stiftung Okey in Winterthur.
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