Wissen aus früheren Pandemien nutzen
Über die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 und die Asiatische Grippe von 1957 weiss heute kaum jemand mehr Bescheid. Da das Wissen über vergangene Pandemien jedoch für künftige Gesundheitsrisiken sehr wertvoll wäre, wollen Forschende diese Gedächtnislücke schliessen.
Masken tragen, Abstand halten, Hände waschen, Räume lüften: In der Corona-Pandemie ging es in der Schweiz plötzlich wieder um Massnahmen, wie sie gut hundert Jahre zuvor bei der verheerenden Spanischen Grippe von 1918 bis 1920 Thema waren. Die Spanische Grippe gilt in der Schweiz immer noch als die schlimmste demografische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Nach ihr verursachte kein Influenzavirus mehr eine derart hohe Sterblichkeit: Die Asiatische Grippe (1957), die Hongkong-Grippe (1968) und die Russische Grippe (1977) verliefen relativ glimpflich. Dasselbe gilt für Sars (2003) und die Schweinegrippe (2009).
«Covid-19 zwang uns, Erfahrungen aus vergangenen Pandemien wieder aufzugreifen und das, was wir vergessen hatten, neu zu überdenken», sagt Wibke Weber, Professorin für Medienlinguistik an der ZHAW. Sie gehört zu einem Projektteam der Universität Zürich und der ZHAW, das Wissen über frühere Pandemien sammelt, aufbereitet und zugänglich macht.
Bewusstsein schärfen
Die Forschenden wollen damit eine «Katastrophen-Gedächtnislücke» der Schweiz füllen. Die Lücke bestehe, weil die Pandemien zwischen Spanischer Grippe und Corona hierzulande glimpflich verlaufen seien. Erkenntnisse aus früheren Pandemien sind aber «äusserst wertvoll», unterstreicht Wibke Weber. Sie können das Bewusstsein schärfen und im Hinblick auf künftige Pandemien dafür sorgen, dass die Schweiz besser vorbereitet ist.
Zeitzeuginnen und -zeugen gesucht
Bereits hat das Forschungsteam Daten, etwa zur Sterblichkeit, auf einer Website veröffentlicht. Nun ist es auf der Suche nach persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen aus früheren Pandemien – von Zeitzeuginnen, Zeitzeugen und deren Nachkommen, die etwas über die Pandemien von 1918 oder 1957 erzählen können oder die aus Tagebüchern oder alten Briefen etwas darüber wissen. Die Erzählungen sollen als Video- oder Audiointerview auf der Projektwebsite publiziert werden. Wibke Weber: «Durch die Verknüpfung von Daten und Interviewaussagen kann die Pandemiegeschichte noch lebendiger gemacht werden.»
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